Hoch oben im Nordosten Russlands bohrte ein sowjetisches Forscherteam ein Loch. Ihr Auftrag: so tief wie möglich bohren. Diese Bohrung war die erste von insgesamt 11 geplanten enorm tiefen Bohrungen. Als Standort für die geologische Bohrung wurde ein Ort auf der russischen Halbinsel Kola gewählt. Etwa zehn Kilometer südwestlich der Kleinstadt Sapoljarny wurde im Jahre 1970 mit der Bohrung begonnen.
Die Arbeiten dauerten bis zum Zerfall der Sowjetunion an. Auslöser für dieses Forschungsprojekt war ein Wettrennen gegen die USA. Beide Seiten wollten so tief wie möglich bohren, um so Erkenntnisse über die Beschaffenheit der Erdkruste und den Aufbau der Schichten zu erhalten. Bevor das Loch versiegelt wurde, entdeckten die Forscher unter anderem geheimnisvolle Fossilien in den Tiefen des Bohrlochs.
1. Wettkampf USA gegen Sowjetunion
Ein Beispiel hierfür war der Wettlauf um die „Eroberung“ des Weltalls, welcher mit der amerikanischen Mondlandung 1969 vorläuft ihren Höhepunkt fand. Der Wettlauf um das tiefste Loch der Erde wurde ebenfalls durch diesen Konflikt angefeuert. Man erhoffte sich durch die Bohrungen Erkenntnisse über die Beschaffenheit der Erdkruste und unterirdischen Lagerstellen von Rohstoffen.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges herrschte auf der Welt ein Kampf der Ideologien. Stellvertretend für die beiden Seiten standen sich die USA und die Sowjetunion im Kalten Krieg gegenüber. Dieser dauerte von 1945 bis 1989. Diese Zeit war geprägt von einem ständigen Wettlauf der Forschung und Entwicklung.
2. Die Jagd nach dem Unbekannten
Während wir heutzutage aberhunderte Satelliten im All haben und in Echtzeit Bilder von der Oberfläche unsere Erde betrachten können, wissen wir hingegen kaum etwas über das Leben und die Beschaffenheit der Tiefsee unserer Ozeane. Ähnlich verhielt es sich in den 1940er Jahren mit dem Aufbau der Erdschichten.
Der Aufbau der verschiedenen Platten sowie die Temperaturen in den verschiedenen Tiefen basieren alle auf Modellen und wurden in der Praxis überprüft. Somit wurden verschiedene Probebohrungen gestartet. Teilweise angetrieben durch die Gier nach Rohstoffen wie Öl oder Erdgas. Nach und nach wurde dieser Wettlauf durch die Einmischung der verschiedenen Regierungen zu einem Wettlauf des Kalten Krieges.
3. Aufbau der Erdkruste
Um die Ziele der Bohrungen besser zu verstehen, ist es wichtig einen Überblick über die verschiedenen Erdschichten zu haben.
Im Inneren der Erde ist der innere Kern. Um den inneren Kern liegt der äußere-Erdkern. Dieser wiederum wird vom unteren Mantel umschlossen. Darüber liegt die sogenannte Übergangszone. Diese liegt zwischen dem oberen Mantel und dem unteren Mantel und trennt diese voneinander. All dies wird von der Erdkruste umschlossen.
Ziel der Bohrungen war zunächst den oberen Mantel zu erreichen. Dieser beginnt in etwa ab einer Tiefe von 35 Kilometern. Später wurden die Ziele jedoch, unter anderem aufgrund unerwarteter Hitzeentwicklung, immer weiter zurückgestuft. So wollte man 1970 schon „nur“ noch 15 Kilometer tief bohren.
4. Verschiedene Methoden
Bei dem Wettlauf um das tiefste Loch kamen verschiedene Ansätze zum Einsatz. So versuchten die Sowjets es zuerst mit einer Art runden Grube, in der spiralförmig immer tiefer gegraben wurde. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass diese Methode sehr ineffizient und langwierig war. Das Hauptproblem lag darin, dass mit jedem Meter in die Tiefe auch der Durchmesser des gesamten Lochs wuchs und somit auch immer mehr Material abgetragen werden musste.
1958 konnten die USA die Führung im Wettkampf um das tiefste Loch der Welt übernehmen. Ihr Trick bestand darin, auf dem Boden des Pazifischen Ozeans zu bohren. Durch den Start am Boden des Pazifiks hatten sie bereits einen großen Vorsprung, was die Tiefe des Lochs betraf. Das Projekt lief unter dem Namen „Mohole“ und wurde in der Nähe von Guadalupe in Mexiko durchgeführt.
5. Ziele der Bohrung in Kola
1970 war man sich bewusst, dass eine Bohrung für das tiefste Loch der Welt keinesfalls kostengünstig werden würde. Daher suchte man sich den Standort auf der Halbinsel Kola genau aus und folgte vorher definierten Zielen mit der Bohrung. Bereits seit den 1940er Jahren wurden in der Nähe der Bohrstelle Kupfer und Nickel abgebaut.
Ein Ziel der Bohrung war es, die Lagerstätte dieser Rohstoffe in die Tiefe zu verfolgen und Erkenntnisse über deren Entstehung zu erhalten. Hierfür wurde auch die Zieltiefe von 15.000 Metern angegeben. Ein weiteres Ziel war die Probenentnahme von bestimmten Bereichen der Erdkruste, in denen seismische Diskontinuitätsflächen registriert wurden.
Dabei handelt es sich um messtechnisch feststellbare Trennflächen zwischen Erdkruste und Erdmantel. Weitere Ziele waren Erkundung der geothermischen Gegebenheiten, Vorkommen von Wasser und Gasen, sowie die Weiterentwicklung der Bohr- und Messtechnik, welche für diese Aufgabe entwickelt worden war.
6. Technische Details
Während die Bohrung in Kola im Jahre 1970 begonnen wurde, begann die Planung und die Vorbereitungen dafür bereits in den frühen 1960er Jahren. Damals begann man die Bohrung mit einer herkömmlichen, in der Erdölindustrie eingesetzten, Bohranlage. Nach ca. 5 Jahren Bohrzeit wurden die Arbeiten in einer Tiefe von 7236 Metern unterbrochen.
In dieser Zeit wurde die Bohranlage abgebaut und durch eine eigens für dieses Bohrloch entwickelte Maschine ausgetauscht. Diese hörte auf den Namen Uralmasch-15000. Sie war speziell für das Erreichen der vorgegebenen Tiefe von 15.000 Metern konzipiert.
Für diese Anlage wurde unter anderem ein 68 Meter hoher Turm aufgebaut. Dieser wurde aufgrund der ungünstigen Witterungsverhältnisse vor Ort benötigt. Der Turm verkleidete den kompletten Bohrer und ermöglichte es, den Innenraum auf eine angenehme Temperatur aufzuheizen. Die benötigte Steuer- und Messtechnik für den Bohrer sowie Werkstätten, Lager, Büros und Schlafplätze für die Angestellten wurde in umliegenden Gebäuden untergebracht.
7. Chronologie und Fossilienfunde
Am 24. Mai 1970 begann der Betrieb der Bohranlage. Dieser wurde zunächst nur durch die Umrüstung der Anlage im Jahre 1975 unterbrochen. 1979 wurde die Teufen Marke von 9.584 Metern erreicht. Hierbei wurde die damalige Rekordbohrung „Bertha Rogers“ in den USA um 1 m übertroffen. Während der Bohrungen fand das Team neben stark mineralhaltigen Flüssigkeiten und Gasen auch unerwartetes.
So befanden sich Tief unter der Erde rund zwei Milliarden Jahre alte Mikrofossilien. Diese stammen von Meerespflanzen und waren für ihr Alter und die Bedingungen des Fundortes erstaunlich gut intakt. Im Dezember 1983 wurde die magische Grenze von 12.000 Metern Tiefe erreicht. Am 10. August betrug die Tiefe der Einzelbohrung 12.046 Meter. Am 27. September verkantete sich jedoch das Gestänge des Bohrers und riss, bei einem Versuch es zu lösen, ab. Dieser Riss war in ca. 7 Kilometern Tiefe.
Daher wurden nun ab dieser Tiefe drei Teilbohrungen versucht. Eine davon erreicht im Jahre 1989 schließlich mit 12.262 Metern die heutige Endstufe. Vor allem die unerwartet hohe Temperaturen von 180 bis zu über 200 °C sorgten ab einer Tiefe von ca. 11.000 Metern immer wieder für große Probleme. 2008 begann die Demontage der Station, 2012 war der Bohrturm bereits abgerissen. Die restlichen Gebäude wurden dem Verfall überlassen.